Der Funnel: So viel mehr als ein Hobby der Marketing-Spezialisten

Es wird Zeit. Zeit für mein Lieblingsthema. Ein Thema, das in so vielen meiner Vorträge vorkommt, und wirklich in jedem meiner Workshops. Egal, ob Geschäftsmodellentwicklung, Finanzplanung oder Pitch-Training. Für die einen ist es nur Marketing, für mich ist es ein Ansatzpunkt, um ein Geschäftsmodell so richtig auseinanderzunehmen. Und manchmal die GründerInnen gleich mit. Natürlich nur, um nachher alles viel besser wieder zusammenzusetzen ;-)

Dienstag,
25.10.2022

Inhalt:

  1. Zeig mir Deine Funnel und ich sage Dir, wie Dein Business läuft!
  2. Eine kurze Funnel-Geschichte von Bali
  3. Fazit: Hab deine Funnel im Blick!

 

1. Zeig’ mir Deine Funnel und ich sage Dir, wie Dein Business läuft!


Was ich damit meine, ist der Weg, auf dem Dein Startup Kunden generiert. Und zwar nicht nur den Kanal, also ob Du z.B. Facebood-Ads schaltest oder über Influencer auf TikTok wirbst. Sondern den kompletten Weg, den ein Kunde vom ersten Kontakt bis zum Kauf bei Dir nimmt. Aber von einem richtigen Funnel will ich noch viel mehr. Ich will
Zahlen. Ich will wissen, was es kostet, potenzielle Kunden überhaupt auf Dein Angebot aufmerksam zu machen, also zum Beispiel, wie viel ein Klick auf eine deiner Ads kostet. Und ich will wissen, mit welcher Wahrscheinlichkeit der nächste Schritt gemacht wird. Also zum Beispiel, wie viele von 100 Website-Besuchern gehen in deinen Shop? Wie viele davon klicken weitere deiner Produkt-Fotos an? Wie viele davon wiederum legen etwas in den Warenkorb? Und wie viele kaufen dann schlussendlich bei Dir?

Ein detaillierter Funnel kann so viel verraten: ich kann mit seiner Hilfe die wichtige Kennzahl der Customer Aquisistion Costs (kurz CAC) für jeden Kanal berechnen. Ich kann durch ihn herausfinden, wo der Prozess der Kundengewinnung noch hakt und wo er gut funktioniert. Auch die Funnel unterschiedlicher Kanäle oder verschiedener Ads und Ad-Sets zu vergleichen, kann spannende Einblicke verraten.

Wo und wie erregt man die meiste Aufmerksamkeit und Neugier? Welche Art der Werbung funktioniert für welche Zielgruppe am Besten und wer bricht wo am ehesten ab, ohne dass es zu einem Kauf kommt? Diese sogenannten “Conversion Breaks” herauszufinden sind eine wichtige Aufgabe für GründerInnen. 

Dann kannst Du mit den Kennzahlen aus dem Funnel aber noch weiter rechnen und eben schauen, ob Dein Business so überhaupt funktionieren kann. Wie viel Euro Umsatz machst Du denn pro ausgegebenem Euro im Marketing? Sind die CAC überhaupt deutlich niedriger als der Customer Lifetime Value, also der Wert, den Du mit einem Kunden im Laufe seines Kundendaseins erwirtschaftest? Und wenn Du von Letzterem nun noch eventuelle Herstellungskosten abziehst, bleibt dann überhaupt noch etwas übrig, also kurz: gibt es dann noch eine Marge? Diese Rechnung ist nämlich unglaublich essentiell, auch in frühen Phasen, denn sie zeigt Dir, wie weit Du von einem Geschäftsmodell entfernt bist, das irgendwann profitabel werden könnte.

Doch auch, wenn das alles noch nicht so rosig aussieht, heißt das nicht, dass Du direkt das Handtuch werfen solltest. Als GründerIn sollte man damit ohnehin nicht so schnell sein. Gerade, dass das Marketing zu Beginn noch nicht so richtig läuft und es am Anfang schwierig und daher teuer ist, neue Kunden zu gewinnen, ist vielmehr die Regel, als die Ausnahme. Vielleicht nutzt Du dann den falschen Kanal, die falsche Ansprache oder hast sogar komplett die falsche Zielgruppe gewählt? Zu Beginn der Startup-Reise ist viel Ausprobieren angesagt, bis Du siehst, was einigermaßen funktioniert.

Doch gerade auch hier kann Dir eine genaue Funnel-Analyse oft helfen. 

Sind die Klicks zwar günstig und Du bekommst für wenig Geld viele Webseitenbesuche, aber kaum jemand kauft dann, stimmt vielleicht etwas mit Deinem Shop nicht. Wenn die meisten beispielsweise abspringen, obwohl sie schon etwas in den Warenkorb gelegt haben, fehlt ihnen vielleicht eine Zahlungsmethode. Sind die Klick-Preise für die Ads dagegen sehr teuer und die Conversion Rates danach, also die Interessenten, die dann auch wirklich kaufen, sind gar nicht so Wenige, bist Du vielleicht in einer heiß-umkämpften Zielgruppe oder generell auf einem teuren Kanal unterwegs. Sinnvoll ist es dann, noch andere Kanäle auszuprobieren und zu vergleichen. Oder zunächst in eine gewisse Bindung mit Newsletter oder Ähnlichem zu investieren. Je mehr Informationen Du hast, desto besser kannst Du analysieren, woran es liegt und was Du tun könntest, um das zu ändern. Tatsächlich ist auch das etwas, das bei Investoren gut ankommt.

Und das führt mich direkt zu meinem wichtigsten Punkt: der Funnel und seine Zahlen verraten Dir nicht nur viel über Dein Geschäftsmodell und wie gut Dein Business läuft, sondern vor allem auch, wie gut Du als GründerIn es im Griff hast. Denn viele Kunden können am Anfang auch Glück sein und wenige, wie oben erwähnt, einfach ein Ausdruck gewisser Anfangsschwierigkeiten.

Wenn das Team aber genau erklären kann, was gut und was schlecht läuft und bestenfalls noch einen Plan hat, was man als nächstes probieren will und warum, dann weiß man, dass man es mit guten GründerInnen zu tun hat. Denn die kennen ihren Funnel im Detail und haben auch mögliche Alternativen parat. Und das sollte Investoren wesentlich wichtiger sein als nur ein glücklicher Start.

Also: Zeige mir Deinen Funnel und ich sage Dir, wie weit Du als GründerIn bist!

 

2. Eine kurze Funnel-Geschichte von Bali


Wie unschwer zu erkennen ist, gehören Funnel definitiv zu meinen Lieblingsthemen. Deshalb möchte ich dir die folgende Geschichte auch nicht vorenthalten, den sie repräsentiert ein gutes Beispiel:

Es war vor ein paar Jahren auf dieser wunderschönen indonesischen Insel, wo ich in meinem favorisierten Coworking Space einen eCommerce-Unternehmer traf, der mich bat, mit ihm einmal über seine Zahlen zu schauen.

Was dabei herauskam, benutze ich bis heute liebend gerne in meinen Vorträgen, denn es ist ein wunderbar anschauliches Beispiel zur Bedeutung der Kundenakquisekosten, oder kurz: der CAC (= Customer Acquisition Costs). 

Aber von vorne:

Er zeigte mir also seine Tabellen, seine bisherigen Verkaufszahlen und Umsätze, und wollte nun Tipps haben, wie er weiter wachsen könnte. Ich fragte ihn, was er bisher an Marketing ausprobiert habe. Da er gerade erst so richtig startete, war natürlich noch nicht viel passiert, er hatte jedoch schon eine kleine Kampagne mit einem befreundeten Influencer gemacht. Also wollte ich wissen, ob er etwas dafür gezahlt hatte bzw. ob er wüsste, was andere Kunden dem Freund bezahlen müssten, und er meinte, er hätte diesen wahnsinnig netten Freundschaftspreis von 500 Dollar bezahlt, obwohl sein Freund rund 100.000 Follower hätte. Das könnte er natürlich für weitere Marketingaktionen nicht anlegen, das wäre ja viel zu günstig.

Ich bestand trotzdem darauf, damit weiterzumachen, schließlich waren das die einzigen Zahlen, die wir hatten. Also wollte ich als nächstes wissen, ob er hat messen können, wie viele Kunden er dadurch gewonnen hat.

Nein, exakt messen konnte er es nicht, aber es kamen schon einige Bestellungen mehr rein als sonst, er vermutete circa 20-30 zusätzliche Kunden für diesen Zeitraum. Wir rechneten dann mit der goldenen Mitte, also 25 gewonnene Kunden durch diese 500 Dollar an den befreundeten Influencer. Das machte 20 Dollar pro Kunde, die CAC hatten wir also schon einmal.

Und, ist das jetzt gut? wollte er natürlich von mir wissen. Das kommt darauf an, antwortete ich, wir müssen uns jetzt Deine Zahlen anschauen. Wie viel kauft denn ein Kunde im Durchschnitt, und wie viel bezahlst Du für die entsprechende Ware? Es kam heraus, dass pro Kunde ein Deckungsbeitrag – also die Differenz zwischen Verkaufs- und Einkaufspreis – von 5-8 Dollar hängen blieb.

Und ist es jetzt gut? fragte er. Was meinst Du? fragte ich zurück. Du bezahlst 20 Dollar für einen Kunden, der Dir dann bei der ersten Bestellung 5-8 Dollar einbringt.

Er machte große Augen: Dann war das ja gar nicht so ein Freundschaftsdeal!? Der Influencer war doch dann viel zu teuer!

Oh nein, hatte ich jetzt eine Freundschaft auf dem Gewissen?

Langsam, sagte ich, das hängt von vielen Dingen ab. Erst einmal könnte ein solcher Kunde noch einmal nachbestellen (was bei seinen Produkten durchaus realistisch war), so dass man die Einnahmen jedes Mal hätte, die CAC gab man aber für einen Kunden nur einmal aus. Dann startete er gerade erst, und Kunden sind bei eher unbekannten Online Shops zunächst eher zögerlich, dass heißt der Anteil der Kunden, also der tatsächlichen Käufer, von denen, die auf das Angebot aufmerksam werden (die Conversion Rate) ist relativ gering und hat noch Potenzial nach oben. Auch könnte die geringe Conversion Rate am eigenen Shop liegen und weniger an dem Influencer. In diesem Fall hatten wir keine Möglichkeit, das einzuschätzen, denn wir wussten nicht, wie viele von den Followern des Influencers tatsächlich in den Shop gefunden hatten. Dieser Teil des Funnels war also leider blind.

Und zu guter Letzt muss ein Influencer auch immer gut passen, damit es sich lohnt. Der selbe Influencer könnte bei einem Produkt Kunden für 3 € anbringen und beim nächsten eine CAC von 15 € oder mehr verursachen – einfach weil seine Follower sich für ersteres per se schon viel mehr interessieren. 

Bevor man Geld für einen – selbst befreundeten – Influencer ausgibt, sollte man also einmal einen Blick in seine Follower-Liste werfen, ob seine Followerschaft überhaupt genügend Überschneidungen mit dem eigenen Kundenprofil aufweist.

Die Freundschaft war also wohl gerade noch gerettet – und fürs Business haben wir dann in der Folge auch noch ein paar Ideen generieren können. Seine Funnel wird er wohl nie wieder aus den Augen  lassen.

 

3. Fazit: Hab Deine Funnel im Blick!


Du siehst also, Funnel sind viel mehr als eine lästige Pflicht in den Gesprächen mit Investoren, sie sind essentiell, um Dein eigenes Business zu verstehen und voranzukommen. Sie sind ein essentielles Tool, wenn es darum geht, die eigenen Kunden zu verstehen – oder überhaupt erst zu finden.

Es ist auch nicht schlimm, wenn man von Beginn an nicht alles messen kann – je nachdem, welche Tools und Software man verwendet, steht nicht immer alles direkt zur Verfügung. Man sollte sich aber unbedingt Gedanken machen, welche Kennzahlen im Funnel besonders wichtige Insights ergeben könnten und anstreben, diese so schnell wie möglich zu erheben.

Und: auch das B2B-Geschäft ist keine Ausrede, seine Funnel nicht zu kennen, auch wenn es komplexer sein kann, wenn z.B. Vertriebspersonal involviert ist. Man muss nicht unbedingt jedes kleinste Detail modellieren, sollte aber möglichst bald eine Übersicht über die wichtigsten Stufen und Zusammenhänge bekommen.

Also: Funnel sind weit mehr als ein Hobby von Online-Markertern, und weit wichtiger als nur ein nettes Bild im Investoren-Pitch: Sie sind das Modell Deiner Kundenbeziehungen. Willst du langfristig erfolgreich werden, musst Du lernen, sie zu verstehen und mit ihnen zu arbeiten! Und ja, ist man erst einmal eingetaucht in die Funnel-Welt, kann sie tatsächlich Spaß machen!

 

Photo (above): Ruth Cremer

Ruth Cremer

Ruth Cremer ist Mathematikerin und Beraterin sowie Hochschuldozentin auf dem Gebiet der Geschäftsmodelle, Kennzahlen und Finanzplanung. Als ehemalige Investmentmanagerin weiß sie, worauf Investoren achten und hilft auch bei der Pitch- und Dokumentenerstellung im Investitions- oder Übernahmeprozess. Seit 2017 ist sie als externe Beraterin an der Auswahl und Vorbereitung der Kandidaten in "Die Höhle der Löwen" beteiligt.