“Wie finde ich bloß die richtige Gründungsidee?”

Welche Möglichkeiten es gibt auf dem Weg zur Idee und warum die alleine noch nichts wert ist

Hattest du sie schon, DIE eine Idee, die dein Leben verändern soll? Oder wartest du noch auf sie? Versuchst du aktiv, ihr auf die Schliche zu kommen, oder hat sie dich eines Tages einfach getroffen?
Und was dann? In der Startup-Welt heißt es immer, man soll sich möglichst viel Feedback einholen. Aber kann das nicht auch schaden, wenn man an Leute gerät, die eine falsche Vorstellung von dem bekommen, was man ihnen erzählt? Muss eine Idee eine bestimmte Reife haben, um sie zu pitchen?
Aller Anfang ist schwer, deswegen gibt es hier für dich ein paar Tipps für deine allerersten Schritte in die Gründungswelt.

Dienstag,
04.10.2022

Inhalt:

  1. Inspiration und Ideenfindung: Wo starte ich und welche Methoden gibt es?
  2. Warum ich mich weigere, Startup-Ideen zu bewerten

 

1. Inspiration und Ideenfindung: Wo starte ich und welche Methoden gibt es?

Immer wieder werde ich gefragt, wie man denn, wenn man von der Selbstständigkeit oder dem UnternehmerInnen-Dasein träumt, an die passende Idee kommt. Hier gehen die Meinungen weit auseinander. Die einen wettern über die “Möchtegern-GründerInnen”, die völlig falsche Vorstellungen von dem “coolen Startup-Leben” haben, die nächsten glauben fest daran, dass die Idee fürs eigene Unternehmen einen auf irgendeiner spirituellen Ebene finden muss und wieder andere sehen es völlig rational, empfehlen “einfach mal zu machen”.

Ich glaube, wie so oft liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Wo genau, ist aber sehr individuell. Natürlich kann es klappen, wenn man sich zunächst einfach vornimmt, dass man selbstständig oder UnternehmerIn werden will und dann nach einer Idee sucht. Warum auch nicht? Denn nur, wenn man es so herum angeht, heißt das noch lange nicht, dass man die falschen Vorstellungen oder die falsche Motivation hat. Viele machen sich selbstständig, weil sie die starren Hierarchien, die unfairen Vorgehensweisen oder das unangenehme Arbeitsklima, die in so einigen Unternehmen herrschen, einfach nicht mehr ertragen können.

Ich habe auch schon von Frauen gehört, deren Arbeitgeber sie nicht vorzeitig aus dem Mutterschutz herauslassen wollte, die sich aber einfach nicht genug ausgefüllt fühlten und sich praktisch aus Mangel an Alternativen selbstständig machten.

Also ja, ich glaube, so, wie du an den Aufbau des eigenen Unternehmens strukturiert herangehen solltest, kannst du auch an die Ideenfindung dafür strukturiert herangehen.

Es gibt so viele Techniken aus dem Bereich Ideation, Design Thinking und wie diese Buzzwords alle lauten. Viele dieser Methoden bauen auf einer ähnlichen Herangehensweise auf: eine neue oder bessere Lösung für ein Problem zu finden.

Gerade, wenn du alleine startest, finde ich es aber auch sehr sinnvoll, dass du dir darüber klar wirst, was du selbst gut kannst und was dir auch leicht von der Hand geht. Natürlich gibt es auch hier wieder zahlreiche Techniken, viele aus der Persönlichkeitsentwicklung. Auch die können helfen, ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass es nicht für alle GründerInnen elementar ist, dass ihr erstes Unternehmen sie voll und ganz ausfüllt und sie sich damit selbst verwirklichen. Es hilft nach meiner Erfahrung ungemein, wenn du dir über deinen eigenen Antrieb und deine eigenen Prioritäten erst einmal klar wirst: muss dich die zukünftige Haupttätigkeit möglichst erfüllen, willst du erst einmal unabhängig werden, aber dich auch nicht quälen, oder reicht es dir, wenn das neue Geschäft möglichst schnell “läuft” und dann schaust du weiter?

Vor allem anderen steht also, dass du dir selbst darüber im Klaren bist, was für eine Art GründerIn du bist und worauf du – zunächst – deinen Fokus legen willst. So haben schon einige spätere Unternehmer in einer recht klassischen Selbstständigkeit wie Berater oder Entwickler gestartet, um ihre wirkliche Leidenschaft später zu entdecken. Durch ihre bereits etablierte Selbstständigkeit hatten sie dann aber die (auch finanzielle) Freiheit, dem dann auch entsprechend nachzugehen.

Andere können keine “halben Sachen” machen, und müssen gleich aufs Ganze gehen, mit genau dem Vorhaben, wofür sie komplett brennen. Auch das kann klappen, muss aber nicht.

Eine passende Gründungsidee zu finden ist also gar nicht so schwer, wie es manchmal erscheint. Es gibt viele Hilfe-Kisten, in die du greifen kannst. Du solltest dir nur schon vorher Gedanken dazu machen, welche Kiste wirklich gerade hilfreich ist. Und dann auch ordentlich darin herumwühlen, bis du das für dich passende gefunden hast!

2. Warum ich mich weigere, Startup-Ideen zu bewerten


Oft werde ich auch danach gefragt, ob ich GründerInnen “Feedback zu ihrer Idee” geben kann. Nein, kann ich nicht. Ich bewerte reine Ideen für Produkte und Unternehmen grundsätzlich nicht.

Denn wer bin ich, dass ich jemandem sage, ob seine reine Idee gut oder schlecht ist? Ich weiß, es gibt viele selbsternannte ExpertInnen, die das reichlich tun. Ich finde es trotzdem unseriös. Denn man kann, auch nach noch so vielen Jahren Erfahrung in der Startup-Welt, unmöglich alle Einflussfaktoren, alles wichtige zu einem Gründungsvorhaben im Blick haben, das geht einfach nicht.

Und so ist es auch mir immer wieder passiert, dass ich eine Idee so gar nicht überzeugend fand, aber einige Zeit später feststellen musste, dass das Team diese wirklich gut und kreativ umgesetzt hatte und das Ganze recht gut funktionierte. 

Andersherum sind mir aber auch schon Ideen begegnet, wo ich mir gedacht habe: “Wow, das kann ganz groß werden!”, aber das Team hat es einfach nicht in Gang bekommen. Zwar waren sie ein gern gesehener Gast auf vielen Startup-Veranstaltungen, in der Szene kannte sie fast jeder und häufig konnten sie auch die erste Finanzierung einsammeln – aber abgehoben hat ihr Startup dann tatsächlich nie.

Also habe ich versucht, mir abzugewöhnen, überhaupt über die reine Idee nachzudenken und sie in Gedanken zu bewerten. Mittlerweile gelingt mir das ganz gut.

Was ich mir stattdessen aber angewöhnt habe, und was nach meiner Auffassung ein guter Coach eben auch können muss, ist, die “gemeinen” Fragen zu stellen. Wenn ich von Startups während eines Workshops oder einen Einzelcoaching-Session das Feedback bekomme: “Oh, Du legst aber auch wirklich den Finger in die Wunde!” oder “Du kannst aber echt fiese Fragen stellen!”, dann läuft es gut. Nur dann bekommen meine Coachees den größten Mehrwert aus unserer gemeinsamen Zeit. Glücklicherweise sehen sie das auch meistens genauso.

Ich höre mir also einen kurzen Pitch an, frage dann erst einmal alles, um das Thema und das Geschäftsmodell vollständig zu begreifen und dann frage ich, warum sich das Team so entschieden hat. Also warum gerade diese Zielgruppe zuerst angehen? Warum über diese Kanäle? Warum in diesem Segment positionieren? Dann lasse ich mir natürlich auch erklären, wie das alles zusammenpasst, aber das kommt dann von ganz alleine.

“Ihr sagtet doch eben, dass Euer Produkt sehr erklärungsbedürftig ist, wie wollt Ihr das denn auf TikTok abbilden?” oder “Ihr glaubt, wenig Vorfinanzierung zu brauchen für Euer Produkt. Wo und wie produziert Ihr denn, bekommt Ihr da besondere Konditionen?”

Am allermeisten freue ich mich, wenn es dann noch tiefer geht, nämlich an die Zahlen. “Warum glaubt Ihr, könnt Ihr CAC von unter 10 € erreichen? Was sind denn die Benchmarks in dem Bereich?” Hier geht es ans Eingemachte, hier kann man schauen, wie umfangreiche Gedanken sich die GründerInnen wirklich gemacht haben, und ob es die richtigen waren.

Wie von selbst kann man so die Schwachstellen oder noch verbliebenen Unsicherheiten aufdecken, die bezüglich des Geschäftsmodells noch bestehen. Meistens dauert es dann gar nicht lange, bis ein Satz der Art “Ja, da müssen wir noch mal ran!” fällt. 

Ein wenig lächeln muss ich immer, wenn GründerInnen sagen: “Da hast Du Recht, das funktioniert so nicht!”, denn ich kann ja gar nicht Recht haben, wenn ich nie behaupte, dass etwas funktioniert oder nicht funktioniert. Denn ich bin nur die, die hilft, Unstimmigkeiten zu entlarven, das Geschäftsmodell zu durchleuchten, die Zahlen richtig aufzustellen. Und ich fühle mich wohl in der Rolle, ich will gar nicht bewerten, ob eine Idee alleine gut oder schlecht ist.

Denn eine Idee alleine ist einfach nichts wert. It’s all about execution.

 

Photo (above): Pixabay

Ruth Cremer

Ruth Cremer ist Mathematikerin und Beraterin sowie Hochschuldozentin auf dem Gebiet der Geschäftsmodelle, Kennzahlen und Finanzplanung. Als ehemalige Investmentmanagerin weiß sie, worauf Investoren achten und hilft auch bei der Pitch- und Dokumentenerstellung im Investitions- oder Übernahmeprozess. Seit 2017 ist sie als externe Beraterin an der Auswahl und Vorbereitung der Kandidaten in "Die Höhle der Löwen" beteiligt.