Work-Life-Balance für GründerInnen – Wie du als Startup-GründerIn Leben und Arbeit in Einklang bringst

„Du arbeitest gar nicht wirklich, wenn du tust, was du liebst“ heißt es doch so oft. Doch das ist leider totaler Quatsch. Hast du dich schon einmal so richtig ausgebrannt gefühlt? Eine gesunde Balance zwischen Privatleben und Arbeit zu schaffen, ist für dich als GründerIn sicherlich nicht immer einfach. Auch mir ist nach einer schwierigen gesundheitlichen Phase wieder einmal klar geworden, wie wichtig es aber ist und wie schlecht ich mich teilweise um mich selbst gekümmert habe. Ich habe daher ein paar Anregungen, die ich dir mit auf den Weg geben möchte, damit du deine Balance halten kannst!

Dienstag,
13.09.2022

Inhalt:

  1. Warum auch die schönste Arbeit eben Arbeit ist
  2. Investoren und Work Life Balance – ein Widerspruch?
  3. Gesundheit ist ein Produktivitätsfaktor – Wege aus dem “selbst und ständig”
  4. Fazit – deine mentale und körperliche Regeneration ist wichtig

 

1. Warum auch die schönste Arbeit eben Arbeit ist

“Do what you love and you’ll never work a day in your life!” – dieser Satz ist dir bestimmt schon häufiger begegnet, oder? Doch so oft er auch wiederholt wird, er stimmt einfach nicht.

Auch die zahlreichen Online-Coaches, die dir suggerieren wollen, sie können dich begleiten und dir den Weg zum “perfekten Leben” ebnen, sind mit ihren Versprechungen eher gefährlich als hilfreich. Denn es gibt weder das perfekte Leben, noch die eine, perfekte Tätigkeit, die dir immer nur Spaß macht und dich ohne Ermüdungserscheinungen durcharbeiten lässt – ganz ohne Auszeit oder Urlaub.

Zum Einen ist der Mensch so einfach nicht gestrickt. Jede körperliche oder geistige Kreativität kostet uns Energie. Du solltest dir also eingestehen: Du wirst immer auch irgendetwas tun müssen, was du nicht so gerne machst, was dann doch wieder Arbeit ist.
Außerdem: Selbst wenn du alles outsourced, sogar das Geld verdienen, wird es immer wieder Dinge geben, um die du dich kümmern musst.

Das berühmte “passive Einkommen” für sich aufzubauen, und nur noch das zu tun, wonach einem der Sinn steht, ist der Traum von Vielen. Die wenigsten Leute können allerdings den Rest ihres Lebens Urlaub machen. Denn auch so funktioniert der Mensch einfach nicht. Früher oder später sucht sich jeder neue Projekte und Dinge, die einen erfüllen.
Für den unwahrscheinlichen Fall, dass man es aber tatsächlich schafft, sich ein Leben zu konstruieren, dass sich sinnvoll, aber gleichzeitig niemals nach Arbeit anfühlt, gibt es aber auch noch eine wichtige Einschränkung: man muss es konstruieren. Es entsteht nicht von heute auf morgen und auf diesem Weg wird man eben auch so einige Dinge tun müssen, die sich eben doch wie Arbeit anfühlen, auch wenn einen das große Ziel noch so sehr motiviert.

Aber genau das ist ja der Punkt, weswegen es eben doch in Ordnung ist, auch die Tätigkeit, die du liebst, immer mal wieder als Arbeit zu empfinden: Du weißt, warum du es tust und schöpfst die Motivation für die unliebsameren Aufgaben intrinsisch, aus dir selbst. Nur verwechseln viele Menschen eben intrinsisch mit “einfach”, “macht Spaß” oder eben dem Gegenteil von Arbeit.

2. Investoren und Work Life Balance – Ein Widerspruch?

Vielleicht hast du auch schon von Investoren gehört, die von ihren GründerInnen verlangen, sich 100% auf ihr Startup zu konzentrieren. Wie sie das dann mit dem Privatleben hinbekommen, wäre ihre Sache, schließlich müsste man Prioritäten setzen und auch mal verzichten, wenn man erfolgreich sein will.
Letzterem stimme ich zwar zu, bin aber der festen Überzeugung, dass es weder den Erfolg begünstigt noch sonst irgendeinen positiven Effekt hat, seine Gesundheit dem Startup-Erfolg komplett unterzuordnen. Vergiss daher nicht: Deine Gesundheit kannst du nur dann erhalten, wenn du dir auch mal Entspannungspausen gönnst.

Ich habe schon viele, auch sehr junge, GründerInnen kennengelernt, die schon früh die ersten Symptome von Überlastung entwickelten. Und mit Mitte 30 musste auch ich der bitteren Wahrheit ins Auge sehen, dass ich dabei bin, mich kaputt zu machen.
Das Problem ist: Es wird nicht besser, wenn man es ignoriert. Ja, man kann noch eine ganze Weile weitermachen. Ja, es gibt immer Medikamente, die die schlimmsten Symptome mildern können und beim Durchhalten helfen. Aber schleppt man sich dann noch weiter durch, wird es nur schlimmer.

Du solltest dir also bewusst machen: Sich krank zur Arbeit schleppen ist nichts, worauf du stolz sein solltest. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das irgendein Investor für seine GründerInnen will. Ein längerer Ausfall eines Mitglieds des Führungsteams ist zwar mehr als schädlich für ein Startup. Immer nur “Durchhalten” zu verlangen, egal was passiert, grenzt für mich allerdings an Menschenverachtung. Da muss man – wie im Übrigen auch ein guter Chef von Arbeitnehmern – im Zweifel auch einmal klarmachen, dass es anders gehen muss.

3. Gesundheit ist ein Produktivitätsfaktor – Wege aus dem “selbst und ständig”

Natürlich hast du als GründerIn auch eine besondere Verantwortung. Einfach den Stift fallen lassen zur Feierabendzeit, wenn gerade wichtige Vorbereitungen im Gange sind? Ein No-Go.

Gute GründerInnen aber lernen schon früh, ihre Zeit so effizient zu managen, dass – mit vielleicht kurzen Ausnahmephasen – immer noch Zeit für Entspannung, Sport und Sozialleben bleibt. Das mag dann weniger Zeit als bei anderen Menschen sein, aber der eigenen Gesundheit zu Liebe muss es diese Zeit geben. Feste Zeiten und Tage für Freizeit können helfen – aber nur in Verbindung mit der Selbstdisziplin, diese auch nur in absoluten Notfällen noch einmal zu verschieben. Kunden mit kurzfristigem Terminwunsch sind zum Beispiel kein absoluter Notfall!

Urlaub kann auch etwas anders aussehen, es ist fast klar, dass der Laptop immer mit muss. Aber mit guter Planung reichen maximal 2-3 kurze Arbeitssessions pro Woche. Wichtig ist vor allem, dass man in dieser Zeit eine Art “Vertretung” im Startup hat, die gut einschätzen kann, wenn etwas wirklich wichtig ist und sie es weitergeben muss. Vertrauen ist hier natürlich Voraussetzung. Und die Bereitschaft, die eigene Unersetzbarkeit auch ein wenig in Frage zu stellen. Tatsächlich fällt dies nach meiner Beobachtung vielen GründerInnen schwerer, als auf Urlaub zu verzichten. Führe dir aber vor Augen, dass du so nicht nur langfristig die eigene volle Produktivität erhältst, sondern das Unternehmen auch stabiler und krisenfester machst. Spätestens Corona sollte gezeigt haben, dass du nie wissen kannst, wie schnell das einmal notwendig sein könnte.

Doch selbst als EinzelkämpferIn kann man seinen KundInnen durchaus eine gewisse Sendepause zumuten. Rechtzeitige Ankündigungen und eine gute Planungen helfen dabei, die Akzeptanz schon früh zu schaffen. Und wenn man es erst einmal probiert hat, wundert man sich oft, wie gut das wider Erwarten doch funktioniert.
Es geht auch gar nicht darum, dass das mit der Work-Life-Balance von Anfang an super klappt. Wichtig ist nur, dass du das Thema von Anfang an im Blick hast und über die Zeit optimierst, bis du deinen idealen Rhythmus gefunden hast.

Überhaupt ist regelmäßiges Reflektieren eine großartige Idee. Mir persönlich hat ein spezielles Journaling sehr geholfen: Am Anfang jedes Monats und jeder Woche lege ich entsprechende Monats- und Wochenziele fest. Für die Woche schaue ich aber zuvor, wie viele feste Termine mich “blockieren”. Außerdem überlege ich, was mir wahrscheinlich Rückenwind geben und was mich aufhalten wird und versuche, das mit einzubeziehen. Am Ende des jeweiligen Intervalls reflektiere ich dann, wie richtig ich lag.

Dies ist natürlich nur eine spezielle Methode des Journalings von vielen. Wie bei allen anderen Methoden gilt: du musst wahrscheinlich einiges ausprobieren, um herauszufinden, was dir selbst hilft. Aber tu es unbedingt von Anfang an. Denn die Gesundheit hat zwar eine gewisse Toleranzzeit, wird dir aber keine zweite Chance geben, wenn du sie erst einmal ruiniert hat.

4. Fazit – Deine mentale und körperliche Regeneration ist wichtig

Du solltest es also auf keinen Fall darauf ankommen lassen – denn irgendwann holt es dich ein. Und dann wirst du bitter bereuen, nie Zeit dafür gehabt zu haben – versprochen.

Und das sollte auch Investoren Angst genug machen, um die Gesundheit ihres Startup-Teams wertzuschätzen, selbst wenn man eine rein monetäre Brille aufsetzt. Denn kranke GründerInnen tragen bestimmt kaum noch zum Erfolg bei.

Bei aller Liebe zu dem, was du tust, bedeutet intrinsisch motiviert zu sein eben nicht, keine Energie für deine Tätigkeiten zu verbrauchen. Deine Motivation ist das, was dich antreibt, diese Arbeit zu machen. Die kleinen Unperfektheiten des Lebens trotzdem zu meistern, einen Grund in dir selbst zu finden, etwas zu tun, obwohl es Arbeit ist. Und: nachher stolz zu sein und mit noch mehr Antrieb eben zu den Dingen zu wechseln, die man so richtig gerne macht – da fühlt man sich doch erst lebendig, oder?

Irgendwie würde ich dieses Gefühl auch nicht missen wollen. Wie ist das bei dir? Was treibt dich an?

Ruth Cremer

Ruth Cremer ist Mathematikerin und Beraterin sowie Hochschuldozentin auf dem Gebiet der Geschäftsmodelle, Kennzahlen und Finanzplanung. Als ehemalige Investmentmanagerin weiß sie, worauf Investoren achten und hilft auch bei der Pitch- und Dokumentenerstellung im Investitions- oder Übernahmeprozess. Seit 2017 ist sie als externe Beraterin an der Auswahl und Vorbereitung der Kandidaten in "Die Höhle der Löwen" beteiligt.